Die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) hält eine Vielfalt von Neuerungen für die Pharmabranche parat. Dr. Tobias Korge von Novartis erläutert in diesem Interview, wie das Forschungsprivileg der Pharmabranche helfen kann, schneller hochwirksame Medikamente zu entwickeln und den Patienten zur Verfügung zu stellen, um dadurch Krankheiten zu heilen, Leiden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
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Dr. Korge, das Thema Digital Health birgt ein großes Potenzial für klinische Studien, Forschung generell und die Verbesserung der medizinischen Versorgung; Behandlungsketten werden durch digitale Techniken optimiert. Wie stellen Sie sicher, dass bei der Kooperation mit Krankenkassen, Ärzten und Partnerfirmen der Datenschutz gewährleistet wird?
Dr. Tobias Korge: Datenschutz ist für Novartis und unsere Kooperationspartner ein wichtiges Anliegen. Trotzdem kann man sich nie ganz sicher sein, ob alle unsere Partner ein ebenso hohes Verständnis für Datenschutz haben wie wir. Deshalb werden neue Kooperationspartner im Rahmen eines umfangreichen Pre-Assessments auf verschiedene für Novartis wichtige Kriterien überprüft. Außerdem wird jedes Einzel-Projekt datenschutzrechtlich geprüft und die notwendigen Maßnahmen implementiert. Im Anschluss daran wird bei kritischen Projekten oder anlassbezogen eine Vor-Ort Prüfung bei dem jeweiligen Vertragspartner durchgeführt, um zu gewährleisten, dass die vereinbarten Bedingungen mit der Realität übereinstimmen.
Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Neurungen in der europäischen Datenschutz-Grundverordnung die Pharmabranche betreffend?
Dr. Tobias Korge: Die Datenschutz-Grundverordnung hält eine Vielfalt von Neuerungen für die Pharmabranche bereit. Besonders hervorzuheben sind hierbei das Forschungsprivileg in Art. 89 iVm Art. 9 DS-GVO und der broad consent also die Möglichkeit Einwilligungen zur Datenerhebung nicht mehr auf bestimmte Studien beschränken zu müssen, sondern die gewonnenen Daten auch für andere Studien verwenden zu können. Die Mehrfachverwendung dieser Daten wird der Pharmabrache enorm dabei helfen, schneller hochwirksame Medikamente zu entwickeln und den Patienten zur Verfügung zu stellen, um dadurch Krankheiten zu heilen, Leiden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Stichwort „Internationaler Datentransfer“, „Privacy Shield“ und „Pseudonymisierung“: Wie gestaltet sich aktuell die Übermittlung pseudonymisierter Studien in die USA nach Ihrer Erfahrung?
Dr. Tobias Korge: Datentransfers in die USA sind nach wie vor möglich, gestalten sich aber aufwendig. Hintergrund dafür ist zum einen die erhebliche Rechtsunsicherheit wie bspw. die Unzulässigkeit des Safe-Harbour Abkommens oder die Klage gegen die Standardvertragsklauseln zeigen und zum anderen das oftmals herrschende Unverständnis für die aus US-Sicht übertriebenen Anforderungen des europäischen Datenschutzrechts. Grundsätzlich ist die Übermittlung pseudonymisierter Studien in die USA aber weiterhin möglich und auch erforderlich um bspw. neue Medikamente in den USA zulassen zu können, Anforderungen der Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten oder Forschungsergebnisse von amerikanischen Kollegen bewerten zulassen. Bei einer „state of the art“ durchgeführten Pseudonymisierung bestehen für die Teilnehmer einer klinischen Studie auch keine datenschutzrechtlichen Risiken, da eine De-Pseudonymisierung lediglich theoretisch möglich ist. Hinzu kommt, dass bei Novartis internen Datentransfers unsere Binding Corporate Rules gelten und im externen Verhältnis mit Fremdfirmen Data Processing Agreements und Standardvertragsklauseln abgeschlossen werden.
Dr. Tobias Korge ist der globale Leiter Datenschutz für die Sandoz Division von Novartis und zudem Datenschutzbeauftragter für alle deutschen Novartis Gesellschaften. In dieser Funktion leitet er das Datenschutzteam und überwacht die Einhaltung datenschutzrechtlicher Standards und Vorschriften. Zuvor war Herr Dr. Korge bei Lidl als stellvertretender Datenschutzbeauftragter und in der Allianz Gruppe als stellvertretender Referatsleiter für Vertragsrecht tätig. Herr Dr. Korge ist zugelassener Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Das Studium der Rechtswissenschaften absolvierte er an der Universität Heidelberg bevor er 2003 einen Master of Laws an der University of Cape Town/Südafrika erwarb. Es folgten das zweite Staatsexamen 2005 am Kammergericht Berlin und die Promotion zum Dr. iur. an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) 2008.
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